Lernentwicklungsgespräche
Lernentwicklungsgespräche statt Zwischenzeugnisse an der Forstersbergschule
In der Grundschule „Am Forstersberg“ ersetzen Lernentwicklungsgespräche seit diesem Schuljahr die Zwischenzeugnisse in den Klassen 1/2. Dies ist seit diesem Schuljahr bayernweit möglich. Das Jahreszeugnis bleibt unabhängig davon wie bisher bestehen. Lernentwicklungsgespräche sind eine Alternative zum Zwischenzeugnis und stellen einen Dialog zwischen Lehrer und Kind im Beisein der Eltern dar. „Es findet eine direkte, kompetenz- und stärkenorientierte Rückmeldung an das Kind statt“, erklärt Schulleiterin Maria Wagner. „Über den Ablauf eines solchen Gesprächs, das etwa 30 Minuten dauert, muss sich jede Schule selbst Gedanken machen. Hier sind einem große Freiräume gelassen.“
Eltern wurden erstmals im Rahmen des Schulversuchs „Flexible Grundschule“ zu Lernentwicklungsgesprächen mit dem Kind eingeladen. Seit dem Schuljahr 2014/15 ist die Grundschule am Forstersberg eine „Flexible Grundschule“. Dadurch besteht für die Schulanfänger die Möglichkeit einer flexiblen Verweildauer. Sie können also die 1. und 2. Klassenstufe in ein, zwei oder drei Jahren durchlaufen, ohne Anrechnung des eventuell zusätzlichen Jahres auf die Pflichtschulzeit. Dies bedeutet neben genauer Erfassung der Lernvoraussetzungen und der Bereitstellung individueller Lernangebote unter anderen auch die Nutzung neuer, individualisierter Formen der Leistungsrückmeldung sowie eine konkrete Lernentwicklungsberatung. „Lernen ist ein dynamischer Prozess des Kindes, der von Lehrern und Eltern gemeinsam begleitet wird. Dokumentierte Lernentwicklungsgespräche geben uns eine effektive Beratungsmöglichkeit, bei der sich alle Beteiligten über die Lernentwicklung austauschen“, meint Susanne Odörfer, Lehrerin einer jahrgangsgemischten Klasse 1/2 und Koordinatorin für Flexible Grundschulen. In einem Gespräch ließen sich individuelle Entwicklungen viel gezielter, auch praxisnäher darstellen, und durch den Dialog mit dem Kind würden Einschätzungen natürlicherweise adressatenbezogen, das heißt kindgerecht, besprochen. Kind und Eltern haben die Möglichkeit, bei Unklarheiten nachzufragen. „Das Kollegium sowie der Elternbeirat stimmten dieser Neuerung zu“, erklärt Schulleiterin Maria Wagner. Die Kinder freuen sich und sind schon ganz gespannt auf ihren „großen Tag“ an dem das Gespräch stattfindet – ihren persönlichen Zeugnistag. Schließlich ist kein Kind unvorbereitet und hat sich schon länger mit den eigenen Lernfortschritten auseinandergesetzt. „Wir haben im Kollegenteam eine Form der Gesprächsführung und Dokumentation entwickelt, die sowohl dem Gespräch mit dem Kind auf Augenhöhe gerecht wird, als auch dem Wunsch nach genauer Information der Eltern“, berichtet Odörfer. „Im Rahmen des Unterrichts lernen die Kinder über einen längeren Zeitraum immer wieder, sich selbst einzuschätzen. Außerdem überlegen sie sich gemeinsam mit den Eltern zu Hause, worin ihre schulischen und außerschulischen Stärken und besonderen Interessen bestehen. So sind auch die Eltern mit in die Vorbereitung eingebunden.“ Manche Eltern meldeten bereits zurück: „Wir haben uns einmal ganz intensiv mit unserem Kind über Schule, Interessen und darüber was es gut kann, unterhalten“.
Heute hat Julia Schelb ihren „großen Tag“ und sitzt schon ganz neugierig und ein wenig aufgeregt gemeinsam mit der Klassenlehrerin, ihrer Mutter an einem Tisch. Zu Hause hat sie im Vorfeld bereits mit ihren Eltern gemeinsam überlegt, was ihre Stärken sind. Diese hat Julia in ihr „Stärkemännchen“ auf ein Blatt Papier geschrieben, das nun beim Lernentwicklungsgespräch den Ausgangspunkt bildet. Außerdem liegt eine große Lernlandkarte vor ihr, die sie im Unterricht nach und nach erstellt hat. Auf dieser kann man jetzt ablesen, wie sie ihr Wissen und Können in schulischen Dingen einschätzt. Dafür verwendete sie drei Farben. Wie das genau funktioniert erklärt Julia ganz selbstverständlich: „Jedes Kind hat so eine Landkarte. Darauf malen wir farbig an, was wir schon können. Grün bedeutet „Alles klappt super“, Gelb heißt „Hier brauche ich noch Hilfe“ und Rot nimmt man, wenn man etwas noch gar nicht gut kann“.
Während des Gesprächs liegen rings um das Stärkemännchen verschiedene Karten. „Auf diesen Karten stehen kurz gefasst die Lernbereiche, auf die sich das Gespräch konzentriert. Lehrerin und Kind legen im Verlauf nach und nach je einen Glasstein mit entsprechender Symbolfarbe auf ein Kärtchen. „So sieht man schnell, wie gut die Einschätzungen von Lehrerin und Kind übereinstimmen und kommt darüber in einen Dialog. Das Legen der Steine aktiviert außerdem das Kind und ermöglicht es ihm, sich leichter in das Gespräch einzubringen und seine eigenen Überlegungen zum Lernfortschritt zu erklären“, erläutert Odörfer weiter. „Am Ende des Gespräches werden mit jedem Kind klare und erreichbare Ziele gefunden, an deren Umsetzung es mit Unterstützung aller an der Erziehungspartnerschaft Beteiligten im weiteren Halbjahr arbeiten wird. Die Lernentwicklungsgespräche begnügen sich somit nicht nur, wie das bisherige Zwischenzeugnis, mit der Feststellung des Ist-Standes, sondern benennen darüber hinaus zukunftsweisende Entwicklungsschritte und geben Motivationsanreize für das Kind.“
„Wir werden dabei bleiben“, sagt Rektorin Maria Wagner, „obwohl die Gespräche für die Lehrkräfte einen großen Mehraufwand bedeuten.“
„Die ersten spontanen Reaktionen mehrerer Eltern sind sehr positiv“, berichtet Wagner, „wir werden einen Evaluationsbogen entwickeln und die Eltern noch genauer befragen“. Frau Schelb, die Mutter von Julia, sieht die Entwicklung sehr positiv: „Sehr gut ist, dass die Stärken des Kindes hervorgehoben werden.“